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Wie Aischylos‘ Tragödie nachwirkt

Ausstellungen, Orestie, Presse, Theater

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Es war vor einem Jahr, als das Mainfranken Theater mit dem Tragödien-Projekt „Orestie“ auftrumpfte. 17-mal ist die Trilogie des Aischylos als fünfstündiges Ereignis über die Bühne gegangen.

In Anlehnung an die Aufführungen im antiken Athen, war es der „Bürgerchor“, der auch in Würzburg das Geschehen kommentierte und voran trieb. Für die 80 Männer und Frauen, die sich für diese gewaltige Aufgabe begeistern konnten, im Vorfeld der Aufführungen ein Körper- und Stimmtraining absolvierten, bedeutete das eine ungewöhnliche Herausforderung. Einer von ihnen, Hans-Jürgen Schreckling, Mediziner im Unruhestand, den das Projekt nicht losgelassen hat, setzte seine Gedanken und Gefühle, die die dramatische Inszenierung und die Beschäftigung mit Text und Inhalt bei ihm hinterlassen haben, malend um. So hat er die Tragödien des Aischylos auf einem großen, zentralen Bild inszeniert, gestaltet, was er erlebt hat, seine Vorstellungen und Interpretationen in Farbe dargestellt. Sein Kommentar dazu: „Der untere düstere Teil des Bildes, gewissermaßen die Basis der Tragödientrilogie, zeigt die Männergruppe des Bürgerchors im ‚Agamemnon‘, erstarrt in Schmerz und Entsetzen über die Boshaftigkeit und Verlogenheit der Klytaimnestra, die ihren Gatten, den Feldherrn Agamemnon, und dessen Begleiterin, die trojanische Seherin Kassandra, mordlüstern empfängt. Kassandra, übergroß am linken Bildrand, sieht ihr Schicksal und das des Agamemnon voraus, kann es aber nicht abwenden . . .“.

Der 68-jährige „waschechte Autodidakt“, wie er sich selbst bezeichnet, erklärt sein Bild (man konnte es bis Ende August im Rahmen der Ausstellungsreihe „Künstler aus Franken“ in der Geschäftsstelle der Main-Post in der Plattnerstraße sehen) voller Engagement. Auf seinem eigenen Lebensweg, so sagt er, habe er ebenfalls immer wieder nach Antworten auf Fragen um Diktatur und Demokratie gesucht, habe Freiheit und Unfreiheit erlebt. In Königsberg in Ostpreußen geboren, am Kriegsende mit der Familie nach Sachsen geflohen, sei sein Werdegang von der ehemaligen DDR geprägt gewesen. Wegen der engen Bindung an die evangelische Kirche habe er eine Ausbildung nur auf Umwegen absolvieren können. Dann sei doch ein Medizinstudium möglich gewesen, danach Facharztausbildung, und endlich eine Anstellung in Dresden, wo er einer Forschergruppe am Institut von Prof. Manfred von Ardenne angehörte und mit Frau und Kindern die kulturellen Angebote der Stadt genießen konnte.

Nach der Wende zog es die Familie in den Westen. In der Diabetes-Klinik in Bad Mergentheim war er als leitender Oberarzt tätig, nach dem Ausstieg aus dem Klinikalltag hält er heute als Ruheständler Vorträge über Diabetes, unterrichtet Schwestern und Pflegenachwuchs. Und jetzt kommt auch die künstlerische Betätigung zum Zuge. Schon immer eigentlich sei sein Thema „das menschliche Antlitz gewesen. Jedes Gesicht erzählt eine Geschichte“, sagt er dazu „auch im Beruf ist das stets meine Maxime gewesen.“ So gibt es zum Thema „Orestie“ nicht nur das große Bild, sondern auch Porträts, Orest mit dem Haupt seiner Mutter, Elektra, die Choephoren und andere. Man sieht tonlose Schreie, Leiden, Morden. „All das beschäftigt mich weiterhin“, erklärt der Künstler seine Werke.

Und weil er glaubt, dass es anderen Mitgliedern des Bürgerchores genauso geht, würde er gerne Kontakte aufnehmen. „Vielleicht lässt sich ein Workshop bilden“, meint Schreckling, der auch als Schauspieler unterwegs ist, sich für Musik und Literatur interessiert und überhaupt voller Pläne steckt. Seine Arbeiten sind am 13. und 14. November bei „Kunst und Werk“ in Margetshöchheim zu sehen.

MainPost, 06. September 2010

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